
Mitten im Countdown zur COP30 in Brasilien haben sich die EU-Umweltminister am Mittwochvormittag auf neue Klimaziele bis 2040 geeinigt.
Was dabei herauskam, ist für viele Beobachter ein Rückschritt: ein Ziel mit eingebauten Ausnahmen – und jede Menge Empörung.
Reduktion der Emissionen – aber mit „Kompensations-Option“
Die EU will ihre Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 senken. Doch der Weg dorthin wurde stark abgeschwächt: Bis zu fünf Prozent dieser Einsparungen dürfen durch CO₂-Zertifikate aus Nicht-EU-Staaten „ersetzt“ werden. Eine Hintertür, die sogar über die ursprünglichen Vorschläge der EU-Kommission hinausgeht – diese hatte nur drei Prozent vorgesehen.
Zusätzlich wurde vereinbart, dass Emissionszertifikate aus Drittstaaten angerechnet werden können – ein Schritt, der von Klima-NGOs als Einladung zu wirkungslosem „Klima-Ablasshandel“ gewertet wird. Das bisherige Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, bleibt laut EU weiterhin bestehen.
Vage Zahlen für 2035
Auch für das Zwischenziel 2035 blieb es diffus: Die Minister bestätigten die bereits angekündigte Spanne von 66,25 bis 72,5 Prozent CO₂-Reduktion, konnten sich aber erneut nicht auf einen exakten Zielwert einigen. Diese unklare Zielsetzung soll dennoch bei der Klimakonferenz in Belém vorgelegt werden.
Ein weiterer Punkt: Der Start der erweiterten Emissionshandelssysteme für Verkehr und Gebäude wird von 2027 auf 2028 verschoben – ein Jahr mehr Schonfrist für wirtschaftliche Interessen.
Totschnig setzt Prioritäten: Wirtschaft vor Umwelt
ÖVP-Umweltminister Norbert Totschnig hatte bereits im Vorfeld signalisiert, dass er die EU-Pläne unterstützen würde – vorausgesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Klimapolitik sei für ihn keine isolierte Umweltfrage, sondern auch eine Frage des Standorts, der Arbeitsplätze und der Versorgungssicherheit.
Industrie erleichtert – Umweltverbände alarmiert
Während die Industriellenvereinigung den Kompromiss lobt, sprechen Umweltorganisationen von einem massiven Rückschritt. Laut IV sei es „erfreulich“, dass die EU-Kommission nun aufgefordert wurde, Erleichterungen im Emissionshandel zu prüfen. Dass fünf Prozent der Einsparungen ausgelagert werden können, sei aus Sicht der Industrie „vernünftig“ – energieintensive Betriebe stünden andernfalls unter Druck.
NGOs sehen darin das Gegenteil von Klimaschutz: Der WWF kritisiert den Deal als „faulen Kompromiss“, der durch rechtliche Tricks entkernt wurde. Auch Greenpeace geht scharf ins Gericht: Die geplante Einsparung werde zur Illusion, wenn ganze fünf Prozent durch fragwürdige Zertifikate aus dem Ausland ersetzt werden dürfen.
Schilling und Greenpeace: Klare Worte gegen Totschnig
Grünen-EU-Abgeordnete Lena Schilling spricht offen von einer „klimapolitischen Geisterfahrt“. Während Politiker wie Totschnig öffentlich für 90 Prozent Reduktion warben, hätten sie hinter verschlossenen Türen genau das Gegenteil betrieben – mit Last-Minute-Forderungen, die auf fossile Subventionen abzielen.
Greenpeace wirft dem Minister vor, aktiv auf Schlupflöcher wie Gratiszertifikate gedrängt und damit die Verhandlungen gebremst zu haben. Die Forderung der NGO: eine deutliche Nachbesserung. Nur ein ehrlicher, klimaneutraler Kurs bis 2040 könne dem Ernst der Lage gerecht werden.